Vom Dreschpflegel und der Öchslebahn
Familienurlaub in Oberschwaben
© Stefan Kuhn
BW Story - Stefan Kuhn
Zeitreise durch Oberschwaben
„Kraut“ ruft der Neunjährige, „und“ seine Zwillingsschwester, „Speck“ der große Bruder! Und wieder: „Kraut und Speck! Kraut und Speck!“ Die Kinder sind ganz versunken in ihre Arbeit. In regelmäßigem Rhythmus schlagen sie abwechselnd mit DreschPlegeln auf das in der Mitte liegende Getreide. Ganz ernsthaft, immer wieder: „Kraut und Speck, Kraut und Speck.“ Die Köpfe sind schon ganz rot vor Anstrengung. „Puh, ist das mühsam“, stöhnt meine Tochter. Und auch die beiden Jungs sind froh über eine Pause. Rasch wird das Dreschgut eingesammelt.
Dorfleben von anno dazumal
„Jetzt blast mal vorsichtig in eure Hände“, sagt Christina McMullin, die uns durch das Museumsdorf Kürnbach führt. „So trennt ihr die Spreu vom Weizen.“ Gesagt, getan oder besser geblasen. Übrig bleiben ein paar Körner, die zwar gut und süß schmecken, die aber noch nicht einmal für ein kleines Brötchen reichen würden. Die drei Scheunendrescher sind froh, dass das Mehl, mit dem sie danach die typisch oberschwäbischen Dinette machen, schon in der alten Backstube parat steht. Auch hier im Backhäusle von 1886 geraten die drei ins Schwitzen; schließlich hat Bäcker Dietmar Neltner schon ordentlich eingeheizt. Geduldig erklärt er den Kindern, wie ihre Ururgroßeltern gebacken haben und lässt sie auch selbst die schweren Bleche in den Holzofen schieben. In Kürnbach tauchen sie ein in 600 Jahre oberschwäbische Geschichte und lernen das DorPleben von anno dazumal kennen: Sie bestaunen original eingerichtete Stuben und Werkstätten, haben Spaß auf der historischen Kegelbahn. Und sehen doch auch, wie hart das Leben früher war.
Mit der Öchslebahn unterwegs
Geschichte zum Anfassen gibt es auch ein paar Kilometer weiter östlich. Hier fährt in den Sommermonaten die Öchslebahn zweimal pro Tag von Ochsenhausen nach Warthausen. Während in den liebevoll restaurierten Waggons der Schmalspurbahn, die zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, schwäbische Eisenbahnromantik zu erleben ist, dürfen meine Kinder einen Teil der Strecke in der alten Lok mitfahren. Die dicke „Berta“
schnauft und dampft durch die hügelige Landschaft. Doch das tut sie nicht einfach so; dafür braucht sie jede Menge Kohlen, die per Hand und Schaufel in den glühend heißen Ofen geschoben werden müssen. „800 Kilo sind es etwa pro Tag“, weiß Lokführer Frank Rebholz und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „ICE-Fahrer haben es da leichter“, stellt mein Sohn nüchtern fest. Und da wir dann schon einmal in Ochsenhausen sind, statten wir auch dem ehemaligen Benediktinerkloster einen Besuch ab: Der prächtige Barockbau sieht aus wie ein Schloss und beherbergt eine der berühmtesten Orgeln Süddeutschlands in seiner Klosterkirche. Wir haben leider keine Zeit, sie in Aktion zu hören, aber allein die Optik ist beeindruckend.
Ausflug an den Federsee ...
Am nächsten Tag reisen wir noch weiter zurück in die Vergangenheit: ins Jahr 4000 v. Chr., in die Jungsteinzeit. Meine Tochter hockt vor dem Mahlstein und rollt einen kleinen Stein, den sogenannten Läufer, über die Körner, vor und zurück. „Ganz schön anstrengend“, Pindet sie wieder und ahnt, dass auch in den ersten Dörfern am Federsee vor dem Genuss einer Scheibe Brot harte Arbeit stand. Davon zeugen die Reste der steinzeitlichen Lager, die im Federseemuseum Bad Buchau nicht nur angeschaut, sondern angefasst und ausprobiert werden dürfen. Die Kinder sind begeistert. Auch von der Fahrt im Einbaum, die wir – anders als die Menschen damals – einfach zum Vergnügen unternehmen dürfen.
Großen Spaß haben die drei dann auch im Wackelwald, der nur ein paar Schritte weiter zu Pinden ist. Wie bei einem riesigen Naturtrampolin wackelt das Moor hier wie ein Pudding. Leider lieben auch Bremsen und Mücken ihn sehr, so dass wir nicht alle Stationen der Entdeckungsreise voll genießen können. „Wer herkommt, sollte besser eine lange Hose und einen Pulli anziehen“, empPiehlt der Älteste und wehrt die nächste Attacke ab.
Direkt nebenan wartet mit über 30 Quadradkilometer und ohne nennenswerte Belästigung durch Blutsauger das Federseemoor auf uns. Kerstin Wernecke vom zugehörigen NABUNaturschutzzentrum führt uns gut gelaunt über den 1,5 km langen Federseesteg durch dieses Eldorado für Tiere und PPlanzen. Was sie alles weiß, ist faszinierend. Sie erzählt uns, dass der Feldschwirl minutenlang singen kann, ohne Luft zu holen, wie das Braunkehlchen mit seiner Nachbarin Plirtet und warum es dafür hohes Gras braucht. Und warum man sagt: „Der schimpft wie ein Rohrspatz“ verstehen wir sofort, als wir den Teichrohrsänger hören. Mit einem großen Fernrohr entdeckt Johan die seltene Rohrweihe und einen Turmfalken, und auch Schmetterlingsfan Mieke kommt mit über 70 Tagschmetterlingsarten, die hier leben, voll auf ihre Kosten.
Aktiv in der Natur
Als wir abends vor unserem Wohnwagen sitzen, der für die Tage hier auf dem Campingplatz am Badsee steht, lassen wir das Erlebte Revue passieren und freuen uns schon auf den nächsten Tag. Neben soviel Geschichte und Geschichten ist die Region Oberschwaben nämlich auch für Outdoor-Fans ein Paradies. Radler Pinden hier über 500 km abwechslungsreiche und lückenlos ausgeschilderte Routen. Wir radeln zum Beispiel von Leutkirch durch welliges Wald- und Wiesenland, vorbei an idyllischen Dörfern und
kristallklaren Bächen bis Isny. In dem fast 1000 Jahre alten Städtchen mit den hohen Mauern, Türmen und Toren gibt es dann ein dickes Eis und ein kühlendes Fußbad.
Und da Wasser überhaupt meiner Kinder liebstes Element ist, darf bei unserem Oberschwaben-Urlaub auch ein Bad im See nicht fehlen. Dafür fahren wir nach Kisslegg, wo wir aber zunächst am Schloss Halt machen. Für eine Besichtigung kann ich die Kinder, die rasch ins kühle Nass wollen, nicht mehr begeistern, aber ein Picknick im romantischen Schlossgarten ist sehr nach ihrem Geschmack. Von dort ist es auch nur noch ein kurzer Fußmarsch zum Strandbad am Obersee. Der malerisch gelegene Naturbadesee ist für meine drei seitdem der Inbegriff von perfektem Urlaub: Chillen unter den hohen, alten Bäumen, toben im Wasser des Moorsees und Salti vollführen auf der Sprungturm-Plattform und sie sind glücklich. Und am Ende eines weiteren wunderbaren Urlaubstages sagt meine Tochter: „Ich hab’ schon wieder Hunger wie ein Scheunendrescher!“
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