Unterwegs mit dem Amerikaner
Mark Twain am Neckar
© TMBW, Foto: Gregor Lengler
BW-Story - CMR
Auf den Spuren des amerikanischen Schriftstellers
Der Neckar ist nicht der Mississippi. Aber auch rund um Heidelberg kann man so manches aufregende Abenteuer erleben – wenn man Mark Twain heißt und ein Schriftsteller auf der Suche nach Geschichten ist. Notfalls erfindet man eben welche. So erzählt der amerikanische Autor in seinem Buch „Bummel durch Europa“ zum Beispiel, dass er den Neckar mit einem Floß befahren habe: „Wir glitten still zwischen den grünen, duftenden Ufern dahin, mit einem Gefühl der Freude und Zufriedenheit, das immerzu wuchs.“ Dann allerdings sei das Holzgefährt leider an einen Brückenpfosten in Heidelberg geknallt und das Floß gekentert. Glücklicherweise hätten er und auch der Rest der Besatzung das rettende Neckarufer erreichen können. Ob der Text der Wahrheit entspricht? Vermutlich nicht, aber Twain schrieb ja auch keine Reportagen, sondern literarische Reiseliteratur. Warum also nicht ein bisschen flunkern?
Der Amerikaner
Wer war Mark Twain eigentlich?
Mark Twain, der mit bürgerlichem Namen Samuel Langhorne Clemens heißt, wird 1835 in Florida geboren. Er ist vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt, beide werden Welterfolge. Weil der Schriftsteller seine Mitmenschen sehr genau beobachtet, sind seine Texte oft humorvoll, manchmal auch bissig und ironisch. Er hält nicht nur den Amerikaner:innen den Spiegel vor, sondern auch den Europäer:innen. Twain reist nämlich gerne – und er schreibt darüber.
Die Liebe zur Region
Warum Heidelberg Mark Twain nicht mehr los ließ
Am 25. April 1878 etwa kommt der Autor mit seiner Familie im Hamburger Hafen an und reist bald weiter nach Süddeutschland. Er hat Amerika verlassen, weil er einen Tapetenwechsel braucht. Außerdem hat er Geldsorgen und benötigt dringend Stoff für ein neues Buch. Luzern, Baden-Baden, Venedig und Mailand – Mark Twain kommt gut herum. Etwa anderthalb Jahre bleibt die Familie in Europa. Dem Autor gefällt der Kontinent und er lernt sogar etwas Deutsch (lästert aber auch ausgiebig über die „schreckliche deutsche Sprache“). Angetan ist Mark Twain hingegen von der romantischen Studentenstadt Heidelberg und der Region am Neckar, in die er viele Ausflüge unternimmt. Er schreibt: „Man wird nie müde, in den dichten Wäldern umherzustöbern, die alle diese hohen Neckarberge bis an ihre Gipfel umkleiden.“ Und so notiert er begeistert, wenn auch leicht ironisch, wie das eben so seine Art ist:
"Deutschland im Sommer ist die Vollendung des Schönen, aber niemand, der nicht auf einem Floß den Neckar hinuntergefahren ist, hat die äußersten Möglichkeiten dieser sanften und friedlichen Schönheit wirklich begriffen und ausgekostet.“
– Mark Twain
Und weil der Amerikaner gleich mehrere Passagen seines Reisebuchs Heidelberg widmet, hat er dort ein zeitgenössisches Alter Ego gefunden: Stadtführer Klaus Mombrei führt ab und zu als Mark Twain verkleidet durch die Stadt – im weißen Anzug, mit Gehstock und Hut.
Stadtführung auf den Spuren von Mark Twain
„Ich bin irgendwann gefragt worden, ob ich das mal machen würde“, erzählt der Guide. Und dann hat er die eher zufällig übernommene Rolle mit so viel Leben und Witz gefüllt, dass er nicht mehr aus ihr heraus kam und wollte. Mittlerweile macht er solche Touren nur noch ab und zu auf Anfrage, – so wie heute mit uns: Wir erkunden gemeinsam die Altstadt und fahren ein Stück auf dem Neckar. Denn Mark Twain schreibt im „Bummel durch Europa“ auch allerlei Überraschendes über den Fluss und seine Burgen, über Heilbronn und Bad Wimpfen. An einer Stelle heißt es zum Beispiel: „An vielen Stellen ist der Neckar so schmal, dass man einen Hund hinüberwerfen kann, wenn man einen hat; (…)“
Das Heidelberger Schloss – eine verlassene Ruine
Der Schriftsteller residiert damals übrigens auf einem Felsen über dem Fluss in Alberts Schlosshotel, das es heute nicht mehr gibt. Er genießt die erstklassige Aussicht aufs Wasser – und Heidelberg. Sie liege in einer Schlucht, die die Form eines Hirtenstabes habe, notiert er. Und weiter über das im Abendrot liegende Heidelberg: „Ich habe niemals eine Aussicht genossen, die einen so stillen und beglückenden Zauber besessen hätte.“ Die Schlossruine ist für ihn hingegen „verlassen, entthront, sturmgepeitscht, aber immer noch fürstlich und schön“. Klar, dass Gäste aus den USA sich in good old Germany und speziell in der Region Heidelberg bis heute gerne an seine Fersen und Verse heften.
Über 100 Jahre altes Graffiti im Studentenkarzer
„Howdy, howdy, liebe Freunde in Deutschland“, begrüßt uns denn auch der unechte Mark Twain am riesigen Weinfass im Heidelberger Schloss und erklärt mit schelmischem Unterton, dass seiner Meinung nach in dem Fass einst gar kein Wein lagerte, sondern Sahne. Man hört dem Guide gerne zu – und irgendwann vermischt sich alles miteinander: der originale Mark Twain, sein Heidelberger Alter Ego, die Region am Neckar, einst und jetzt, Fiktion und Realität. Das ist reizvoll und macht Spaß und hätte vermutlich auch dem wahren Mark Twain gut gefallen, denn auch der liebte ja die Ironie und das Spiel mit Worten und Wahrheiten. Weiter geht’s im Hier und Jetzt zur Scheffelterrasse mit ihrer grandiosen Sicht auf Heidelberg und dann zum Studentenkarzer unten in der Altstadt. Der ist weltberühmt, weil hier die einst wegen nächtlicher Ruhestörung oder erhöhtem Alkoholgenuss einsitzenden Studenten sich die Zeit damit vertrieben, die Wände zu bemalen – man erlebt in den kleinen, dunklen Räumen also politisches Graffiti aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Mark Twain beschreibt den Karzer so: „Die Wände waren dicht mit Bildern und Porträts (im Profil) überzogen, einige mit Tinte, einige mit Ruß, andere mit Bleistift (…) und wo immerhin ein oder zwei Zoll Raum zwischen den Bildern geblieben waren, hatten die Gefangene klagende Verse, Namen oder Daten hingeschrieben.“ Und weiter: „Ich glaube nicht, dass ich mich jemals in einem Raum befunden habe, der reicher al fresco ausgemalt war.“
Mark Twain und der Neckar
Burgen-rundfahrt auf dem Neckar
Am Neckaranleger steigen wir mit Klaus Mombrei alias Mark Twain auf ein Schiff der Weißen Flotte, brechen zur „Vier-Burgen-Rundfahrt“ auf. Sie führt bis nach Neckarsteinach und zurück, durch einen besonders idyllischen Teil des Neckartals. Bei Kaffee und Kuchen halten wir Ausschau nach den Sehenswürdigkeiten, die auch Mark Twain einst kennenlernte, wie etwa Neckargemünd und den Dilsberg, blättern im „Bummel durch Europa“ und genießen die waldreiche Gegend.
Fakten über den Neckar
Der Neckar ist ein Nebenfluss des Rheins und eine Bundeswasserstraße. Er kommt aus dem Schwarzwald und mündet nach 362 Kilometern bei Mannheim in den Rhein. Dazwischen durchfließt er den Ballungsraum Stuttgart. Zwischen Heilbronn und Heidelberg steht er für die romantische Mark-Twain-Flusslandschaft.
Wie der Roman “Huckleberry Finn” zu seinem Namen kam
Mark Twain wandert damals zunächst am Fluss entlang, allerdings nur kurz, wie er fröhlich kund tut. Mit einem guten Freund bricht er zu Fuß von Heidelberg nach Heilbronn auf, steigt dann aber doch lieber in den Zug. Zurück unternimmt die Reisegruppe dann jene Floßfahrt, die so dramatisch endet. Und auch wenn das alles ausgedacht ist – Heilbronn, der Neckar, die Flöße sollen Mark Twain doch immerhin zu seiner Fortsetzung der Tom-Sawyer-Geschichte inspiriert haben. Das jedenfalls erzählt Klaus Mombrei. „Huckleberry“ heißt nämlich in amerikanischem Englisch „Heidelbeere“. Heidelbeere, Heidelberg, Floßfahren, da macht doch etwas Klick, oder? Ob wenigstens diese Story stimmt? Vielleicht auch geflunkert. „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ werden jedenfalls das bekannteste Buch des Europareisenden Twain und ein Schlüsselroman der US-amerikanischen Literatur. Und es gefällt den Deutschen natürlich schon ein klein wenig, wenn sie an diesem riesengroßen Erfolg ein Zipfelchen Anteil haben dürfen. Auch wenn zwischen dem Mississippi und dem Neckar natürlich weiterhin Welten liegen.
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