Dolce Vita im Schwarzwälder Schlaraffenstädtchen
Ein Winterwochenende in Calw
© Stadt Calw, Foto: Manuela Röskamm
BW Story - Hirsch und Greif
Kultur, Kulinarik und Shopping in der Kleinstadtperle Calw
Wie süß kann eine schwäbische Kleinstadt sein? Schmale Gassen, historisches Fachwerk und unzählige kleine Läden. Vielleicht das Beste, was man aus einem Winterwochenende machen kann: ein Ausflug ins kuschelige Calw. Sehenswert gerade dann, wenn ein zünftiger Winter über dem Nagoldtal liegt und der Morgentau wie Zuckerwatte die Dächer bedeckt. Tauchen wir ein ins Kleinstadtleben mit dichtem Programm. Wir haben uns schockverliebt in Calw – und das schon vor dem Dessert.
Hallo, Herr Nachtwächter
Tag 1: Zwischen Laternen und anderen Highlights
18.00 Uhr:
Dem Nachtwächter ist Folge zu leisten. Der Herr mit dem weißen Bart hat Erfahrung mit finsteren Gestalten. Er nimmt uns mit auf eine Tour durch die Calwer Innenstadt. Wir süßen Wochenendgäste sind seine leichteste Übung. Vielleicht ist der strenge Herr deshalb so gut gelaunt. Er liefert spannende Anekdoten vor traumhaft beleuchtetem Fachwerk. Wir fühlen uns, als wären wir im vorletzten Jahrhundert zu Gast. Nebenbei stellen wir fest: Sogar bei Nacht ist Calw ein süßes Städtchen. Wie es wohl tagsüber aussieht?
20.30 Uhr:
Trotz bestem Abend-Entertainment gibt’s wenig Schöneres, als in eine warme Stube zu treten. In unserem Fall die Gaststube des „Alten Calwers“. Auch der Nachtwächter hatte uns geflüstert, dass alte Calwer Küche eine absolute Empfehlung sei. Original regionale Spezialitäten mit Zutaten aus Heckengäu und Nordschwarzwald. Kann man sich leicht merken: Nagold abwärts gesehen liegt das Heckengäu rechts, der Schwarzwald links. Die Heckengäu Linsen sind ein Gedicht. Der Saibling aus dem Schwarzwälder Zinsbachtal muss ein glückliches Leben gehabt haben. Und erst das Dessert! Darum sind wir hier: Dolce Vita in Calw.
Highlights des Tages
Weil süße Sachen glücklich machen
Tag 2: Leben in vollen Läden
9.00 Uhr:
Welch ein Frühstück! War eigentlich klar, schließlich beherrscht die Hotel-Chefin selbst die hohe Kunst der Patisserie. Ihre süßen Stückchen verkosten wir zwar erst am Nachmittag, aber schon beim Frühstück erkennen wir Ann-Catherines Händchen fürs Besondere. Wir haben fürs Wochenende im Hotel-Restaurant Rössle eingecheckt. Natürlich mittendrin und typisch Calw: in einem alten Fachwerkhaus.
9.30 Uhr:
Jetzt aber raus. Der samstägliche Wochenmarkt ist in vollem Gange. Frische Spezialitäten vor historischer Kulisse. Wir werden zwar an diesem Wochenende nicht selbst am Herd stehen. Trotzdem schreiten wir neugierig an den Ständchen vorbei und begutachten die Auslage. Wenn ich den Calwer Dialekt höre, frage ich mich schon, wie man das eigentlich richtig ausspricht. Eher hart, also „Kalf“? Eher weich, also „Kalv“? Oder wie ein junges Kälbchen, also „Kalb“? Ob ich einfach die Passanten frage … Ach, so wichtig ist es auch nicht. Ich frage vielleicht später.
10.00 Uhr:
Ist das nicht süß? Und das hier? Und schau doch mal: das hier! Wir sind zu Besuch bei Fräulein Samstag. Im kleinen Lädchen mit dem Namen, der heute so gut passt, gibt’s alles, was zwischen Naturseifen, Accessoires und Designermoden Platz findet. Nebenbei lernen wir die Vorzüge des Einkaufsbummels in der Kleinstadt kennen: Das Hotel liegt stets um die Ecke. Bedeutet: Wir können die frisch geshoppten Errungenschaften aufs Zimmer bringen – und haben die Hände frei für unsere nächste Entdeckung.
10.30 Uhr:
Ist das noch Shopping oder schon Sightseeing? Wir besuchen ein Buchatelier! Was anderswo fast ausgestorben scheint, floriert in Calw. Hier ist die gute, alte Buchbindekunst lebendig. Wie gut, dass in Kürze ein Fest ansteht. Tatsächlich stolpern wir von einer Geschenkidee zur nächsten. Wir betreten die Weinhandlung Apéro – und nehmen eine kleine Kiste mit. Wir betreten das Naschparadies Chocolat – und nehmen eine zuckersüße Pralinenkollektion mit. Wir betreten das Geburtshaus von Hermann Hesse – und haben etwas zum Anziehen in der Tüte. Weil im Erdgeschoss des historischen Gebäudes ein Modehaus mit Tradition eingerichtet ist.
12.00 Uhr:
Welch ein Shopping-Vormittag! Stilgerecht abgerundet wird er im Café Goldmund. Wir bestellen „Hannahs Hüftgold“, ein belegtes Brot mit Erdnussbutter, Schoko und Banane. Ein passendes Häppchen für unser süßes Wochenende. Übrigens: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Menschen im Winter verstärkt auf süß stehen. Das liegt am Serotonin, auch als Glückshormon bekannt. Sachen zum Naschen regen die Serotoninproduktion im Körper an. Genau auf dieses Hormon sind wir Menschen angewiesen, in den Jahreszeiten mit den kürzeren Tagen. So gesehen wirkt Hannahs Hüftgold wie Medizin. Und sooo lecker!
14.00 Uhr:
Die Wintersonne wirft ein warmes Licht aufs Fachwerk. Als hätte sie unser Programm gelesen. Wir haben uns den Audio-Spaziergang aufs Handy gezogen und starten, wie es die freundlichen Stimmen empfehlen, im Norden der Stadt. In Calw ist sogar die Turnhalle aus Fachwerk. Hätte die Halle einen Turm, könnte man sie glatt mit einer Kirche verwechseln. Mit unserem Audioguide entdecken wir die Stadt mit dem Ohr – und das Fachwerk mit anderen Augen. Wir erkennen Fächerrosetten, Eselsrücken und Feuerböcke. Alles in allem kein Wunder, dass die Deutsche Fachwerkstraße durch Calw führt.
17.00 Uhr:
Auf geht’s nach Holzbronn. Wir haben für den Abend im Krabba-Nescht reserviert. Ein Lokal, das selbst ohne Essen ein Erlebnis wäre. Innen sieht es aus, wie auf einem riesigen Dorfplatz. Sogar ein alter Birnbaum steht in der Mitte. Die Speisekarte ist so zünftig wie das Ambiente. Die schwäbischen Spezialitäten sind vollzählig vorhanden. Linsen und Spätzle, Schlachtplatte, Kässpätzle. Weil wir voll auf dem Süß-Trip sind, schließen wir den zauberhaften Tag mit einem Likör aus der hauseigenen Schwarzwaldbrennerei ab. Wir haben ja gelernt: Das ist gut für die Glückshormone. Wir können es bestätigen: Es wirkt fantastisch.
Highlights des Tages
Spaziergang durch die Geschichte
Tag 3: Eindrucksvolles Kloster Hirsau
10.00 Uhr:
Der frühe Vogel kann uns mal. Wir lassen ihn guten Gewissens vorbeifliegen. Konzentrieren wir uns aufs Ei. Es ist ja auch eine Herzensangelegenheit, diesem wundervollen Frühstücksbuffet die gebührende Wertschätzung entgegenzubringen. Wenn die Sonne über die Heckengäusseite ins Nagoldtal scheint, gehen wir los. Passt genau.
10.30 Uhr:
Entspannter Spaziergang entlang der Nagold. Leicht flussabwärts. Immer auf der Sonnenseite. Wir werden heute das Kloster Hirsau inspizieren. Fast tausend Jahre ist es her, dass sich vom Kloster St. Peter und Paul eine Reformbewegung in Gang setzte, die weite Teile Europa erfasste. Unser Gang bleibt trotzdem gemächlich. Wir schlendern gemütlich und genießen die Sonne. Hirsau ist nicht weit.
11.30 Uhr:
Wirklich beeindruckend. Heutzutage würde man es wohl als Lost Place bezeichnen. Die Ruinen des alten Klosters werfen die Strahlen der Wintersonne zurück. Die dreischiffige Basilika St. Peter und Paul war sogar eine der größten romanischen Kirchen Südwestdeutschlands. Auch wenn das Klostermuseum bis Anfang April geschlossen ist, gibt es rund um das Kloster noch jede Menge zu entdecken. Ganz in der Nähe befindet sich das Hirsauer Rotwildgehege. Die Rothirschfamilie wartet schon auf ihre Fütterung, die täglich zwischen 13 und 14 Uhr stattfindet.
13.00 Uhr:
Da werden auch wir ganz hungrig. Also rein in die gute Stube. Wir sitzen am reservierten Tisch im Hotel Restaurant Kloster Hirsau. Dort gönnen wir uns ein Menü, das man auch als Spaziergang durch die Landschaft bezeichnen könnte. Alle Zutaten stammen aus der Region. Praktisch eine Naturparkwanderung im Sitzen. Als Fans der süßen Sachen hat uns beim Dessert fast der Atem gestockt: Holunder-Creme-Brûlée mit Apfelragout und Haselnuss. Ein Gedicht! Jetzt wissen wir, warum auf der Speisekarte das Menü als „à la Hermann Hesse“ ausgelobt wird. Es schmeckt tatsächlich nobelpreisverdächtig.
15.30 Uhr:
Wir wollten eigentlich den Bus nehmen. Aber wir entscheiden uns für den Spaziergang zurück nach Calw. Soll ja guttun, nach der wundervollen Sonntagsmahlzeit. Apropos: Hier ein Hinweis für alle, die in Calw selbst ein Wochenende verbringen wollen und telefonisch buchen. Calw spricht man tatsächlich aus wie „Calf“. Allerdings mit einer Ausnahme: Bei „Zum Alten Calwer“ ist die Aussprache weicher. Also „Zum Alten Calver“. Für uns ist die richtige Aussprache eine hilfreiche Erkenntnis. Denn wir kommen wieder. Wir haben so vieles nicht gesehen, unter anderem die Kaffeerösterei von innen und das Hermann-Hesse-Museum. Wir werden beim nächsten Mal eine Calwer UR-Seife herstellen und einen der feinen Wanderwege unter die Sohlen nehmen. Es ist tatsächlich wahr: Calw macht Appetit auf mehr – und zwar nicht nur auf Süßes.