Bierige Reise durch Deutschland
Bierseminar in Oberschwaben
© Brauerei Leibinger
BW Story - Dorothee Fauth
Besuch der Brauerei Leibinger in Ravensburg
Bier wird oft unterschätzt. Dabei besitzt jeder der rund 25 deutschen Bierstile einen eigenen Charakter. Bei einem Seminar der Brauerei Leibinger in Ravensburg lernt man diese zu erschmecken und erlebt dabei so manche Überraschung.
Bierbuckel nennen die Einheimischen jenen Hügel in Ravensburg, auf dem die Familienbrauerei Leibinger seit 1894 ihre oberschwäbischen Spezialitäten braut. Die Produktpalette umfasst 16 verschiedene Sorten, in denen zu 100 Prozent Heimat steckt. Denn die Rohstoffe, darunter der Hopfen aus Tettnang, kommen alle aus der Region Bodensee-Oberschwaben. Und jede Sorte ist eine eigene Persönlichkeit.
Um diese Persönlichkeiten und Charaktere geht es bei einem Seminar, das die Brauerei für Gruppen und als öffentliche Veranstaltung anbietet. Es ist eine bierige Reise durch ganz Deutschland zu seiner unvergleichlichen Bierkultur und Vielfalt seiner Stile von Alt bis Zwickl. Sie unternimmt auch Stippvisiten über die Landesgrenzen hinaus. Je acht untergärige und obergärige Sorten werden an diesen Abend blind verkostet und vorgestellt. „Bier wird oft unterschätzt“, sagt Biersommelier Rainer Horn, „dabei kann es so viel.“
Ein Kirschbier als Aperitif
Um das zu demonstrieren, serviert er zum Auftakt einen Aperitif, der dunkelrot im Glas schimmert. „Erst riechen, dann einen kleinen Schluck im Mund wälzen“, erklärt der Sommelier. Denn manchmal sagt die Nase etwas anderes als der Gaumen. Fruchtig ist dieses Bier, darin sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig. Und dann fällt der Groschen. Kirsche! Ein leichtes, süffiges Kirschbier aus Belgien, das oft sogar Nicht-Biertrinkern schmeckt. Es wird nicht mit Saft gemixt. Beim Brauen holen die Hefen den Fruchtzucker und das Aroma aus den ganzen Früchten. „In Deutschland ist so etwas unvorstellbar“, sagt Rainer Horn.
Nach diesem Exkurs zum belgischen UNESCO Weltkulturerbe kehrt die Gruppe zum deutschen Reinheitsgebot zurück. Jeder erhält acht Probiergläser, gefüllt mit untergärigen Sorten. Das sind jene Biere, bei denen die Hefezellen nach unten sinken. Die benötigen kühle Temperaturen, um zu agieren, weshalb diese Biere früher nur im Winter gebraut werden konnten. Von Goldgelb bis Karamell reicht die Farbpalette in den Gläsern. Die Gäste schnuppern, probieren, schmecken, rätseln, machen Notizen – und liegen das eine und andere Mal auch kräftig daneben.
Viel Schaum bedeutet viel Hopfen
„Malz bringt Farbe und Geschmack ins Bier. Auch der Schaum ist ein Zeichen für den Bierstil“, gibt Rainer Horn Tipps. Viel Schaum bedeutet viel Hopfen, und manchmal hängt er schlierig im Glas. Ein hoher Hopfenanteil macht das Bier aber auch bitter – wie beim Pils, ein Stil, der in Süddeutschland immer weniger getrunken wird im Gegensatz zum süffig-milden Hellen. Oder einem Export, die „schwäbische Halbe“, die nördlich von Stuttgart nahezu unbekannt ist und früher tatsächlich für den Export gebraut wurde. Mal schmecken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer würzige Röstaromen, mal Bitterstoffe oder süßliche Noten heraus. Schließlich endet diese untergärige Tour bei einem dunklen, malzig-likörigen Doppelbock, einem Bierstil mit „gehörig Wumms“.
Es gibt nicht wenige Etikettentrinker, plaudert der Sommelier aus dem Nähkästchen. Menschen, die Pils ablehnen, weil Pils draufsteht. Aber auch solche, denen ein Stil beim Tasting gar nicht schmeckt und die dann feststellen müssen, dass sie die Sorte seit Jahren mit Genuss trinken. Als kleiner Snack werden nun belegte Seelen gereicht – und eine Essiggurke. Sie hat die Funktion eines Geschmacksreinigers.
Weil zu einem Bierseminar auch das Wissen über die Kunst des Brauens gehört, sind die Gäste nun zu einer Führung durch die Brauerei mit ihren glänzenden Kesseln und Rohren eingeladen. Rohstoffexperte Elmar Marschall erklärt mit viel Leidenschaft die einzelnen Schritte und Stationen und dass man mit der Zahl sieben in der Braukunst fast immer richtig liegt: Am siebten Tag wird die vermälzte Gerste geröstet. Für einen Liter Bier benötigt der Brauer sieben Liter Wasser, sieben Stunden wird die Würze gekocht, dabei nach und nach Aromahopfen zugegeben. Sieben Liter (obergärige) Hefe pro 1000 l Bier vergären den Gerstensaft in sieben Tagen. Danach lagert er sieben Wochen im Lagerkeller, damit die Gerbsäuren abgebaut werden. Denn diese verursachen Kopfschmerzen.
Imperial Stout mit Salzschokolade
Anschließend geht die Gruppe auf obergärige Bierreise. Bei diesen Bierstilen steigen die Hefezellen durch Kohlensäure nach oben. Acht neue Gläser, acht neue sensorische Herausforderungen. Woran erinnert dieses zitronige Aroma mit einem Hauch Mango? Richtig, Hefeweizen! Ein bitterer, malzig-kratziger Stil entpuppt sich als Altbier, eine Probe ohne Ecken und Kanten als Kölsch. „Kölsch darf nur dort gebraut werden, wo man den Kölner Dom sieht“, erklärt Rainer Horn. Das Urteil bei Glas Nummer fünf fällt einstimmig: Dieses Bier schmeckt einfach nur sauer. Es ist eine Berliner Weiße, die für viele nur als Mischgetränk mit Himbeer- oder Waldmeistersirup genießbar ist.
Das Bierseminar endet mit einem Wissensquiz – und selbstverständlich einem Dessert. Dazu geht es nach England. Schwarz wie dunkle Schokolade ist das Imperial Stout, das der Biersommelier in die Gläser füllt – ein Starkbier mit fester cremefarbener Schaumkrone. Rainer Horn serviert Salzschokolade dazu. Die Harmonie dieser beiden Geschmacksnoten gehört zu den größten Überraschungen dieses launigen Abends.
Übersicht
Mehr zur Tour
Diplom-Biersommelier Rainer Horn veranstaltet in der Brauerei Leibinger in Ravensburg Abende zu verschiedenen Themen rund ums Bier. Außerdem können Interessierte an Brauereiführungen teilnehmen.
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