Inspirationsquelle
Zisterzienser-Kloster Maulbronn
© SSG, Günther Bayerl
BW Story - Dorothee Fauth
Die am besten erhaltene Anlage nördlich der Alpen
Das Kloster Maulbronn ist groß und großartig. Von der am besten erhaltenen Anlage nördlich der Alpen ließen sich auch viele Dichter inspirieren. Ein Rundgang zu Poesie und Wein.
„Ganz im Nordwesten des Landes liegt zwischen waldigen Hügeln und kleinen stillen Seen das große Zisterzienserkloster Maulbronn.“ Mit diesen Worten beschreibt die Hauptfigur in Hermann Hesses Roman „Unterm Rad“ ihre Ankunft in Maulbronn, um dort – wie einst der Autor selbst – das Evangelische Seminar zu besuchen. Den anfangs schwärmerischen Worten über „schöne alte Bauten“, die mit ihrer „grünen Umgebung edel und innig zusammengewachsen“ sind, folgen bald andere Töne. Hesse litt wie sein Alter Ego unter der strengen Disziplin. In dem Buch verarbeitete er seine wenig glückliche Maulbronner Schulzeit.
„Und allem Weh zum Trotze bleib ich verliebt in die verrückte Welt.“ Auch dieser Satz stammt von Hesse. Er ist nun das Motto des literarischen Rundgangs „Poesie und Wein“, mit dem Melanie Kalcher durch dieses besondere Kloster führt. Die am besten erhaltene Anlage nördlich der Alpen gehört zum UNESCO-Welterbe. Was die Mönche hier ab 1147 aufbauten ist groß und großartig. Ein imposantes Zeugnis mittelalterlicher Klosterkultur. Neben Kirche, Klausur und zahlreichen Wirtschaftsgebäuden innerhalb der Klostermauern zählt auch die von den Brüdern geformte Kulturlandschaft dazu: Wein- und Obstgärten sowie ein ausgeklügeltes Wasserwirtschaftssystem von etwa 20 künstlich angelegten Kanälen und Fischteichen.
Justinus Kerner flog wie ein Engel durch die Kirche
Klöster waren schon immer ein Ort der Kreativität – kulturell und wirtschaftlich. Auch die strengen Regeln legten die Mönche oft äußerst kreativ aus. Sie umgingen das Schweigegelübde mit Gebärdensprache, und weil Fleisch weitgehend tabu war, deklarierten sie Fische kurzerhand zu Flussgemüse und Biber zu Fischen. Ein Maulbronner Laienbruder namens Jacob versteckte angeblich sogar Fleisch vor dem lieben Gott in Teigtaschen. Das war die Geburtsstunde der Maultaschen.
In Maulbronn blieb diese Kreativität auch nach der Reformation, im Zuge derer die Klöster 1556 aufgelöst wurden, erhalten. Viele Dichter ließen sich von den alten Mauern inspirieren. Seither hat die Poesie hier einen festen Platz. Auf dem literarischen Rundgang vom Kräutergarten zum Paradies – der einzigartigen romanisch-gotischen Kirchenvorhalle –, durch Kreuzgang und Kirche, ins Herrenrefektorium und zum Brunnenhaus verbindet Melanie Kalcher Klostergeschichte mit Klostergeschichten: ausgewählten Texte von Dichtern, deren Leben mit Maulbronn verflochten war. So erzählen die Gemäuer ganz eigene Storys: lustige und intime, schwärmerische und nachdenkliche.
Die Klosterkirche betritt man mit einem Lausbub: Der spätere Arzt und Dichter Justinus Kerner, auch Schüler in Maulbronn, berichtet in seinem „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit“, dass er sich mit Freunden gern im Chor aufhielt. Die Schnitzereien des Gestühls, der Hochaltar, das zauberhafte Licht regten ihre Fantasie an. Sie hängten sich an die Glockenseile, um wie fliegende Engel bis fast zum Gewölbe hinaufzuschwingen. Im Parlatorium, dem Sprechsaal der Mönche, kommt Friedrich Hölderlin zu Wort, der wie Hesse hier Seminarist war und ebenfalls unter dem Internatsleben litt. Er verliebte sich unsterblich in Louise, die Tochter des Klosterverwalters, und widmete ihr eine Reihe romantischer Gedichte.
Victor von Scheffel dichtete die feuchtfröhliche Maulbronner Fuge
Klöster besaßen oft große Ländereien, die von den Laienbrüdern bewirtschaftet wurden. Zu Maulbronn gehörten unter anderem Weinberge. Wein – ein inspirierendes Thema. Victor von Scheffel dichtete in diesem Zusammenhang die feuchtfröhliche Maulbronner Fuge mit dem Refrain A.V.K.L.W.H: All Voll, Keiner Leer, Wein Her. Nicht lyrisch, sondern real soll der Wein laut einer Legende im Herrenrefektorium, dem Speisesaal, an der mittleren Säule aus einem Fass in eine Rinne gelaufen sein. Die Mönche durften dort ihre zehn Finger hineinstecken und ablecken. Einer soll gesagt haben: „Ach, hätte ich doch nur elf Finger.“ So kam der Elfinger Wein zu seinen Namen. Die Lage heißt heute Eilfingerberg und gehört dem Herzog von Württemberg.
Die Besucher müssen sich nicht die Finger ablecken, wenn sie am Ende der Führung Weine verkosten dürfen, die vom historischen Closterweinberg gleich oberhalb der Klostermauern stammen. Vielleicht schlendern sie danach noch einmal über dieses besondere Dorf, das nicht museal erstarrt, sondern sehr lebendig ist. Bis ins 19. Jahrhundert existierte Maulbronn nur innerhalb der Klostermauern. Noch immer befindet sich hier das Zentrum der kleinen Stadt mit Apotheke, Rathaus und Stadthalle (im Fruchtkasten).
Menschen wohnen in den denkmalgeschützten Gebäuden, und mittwochs kann man hier über den Wochenmarkt schlendern. 100 Schüler lernen nach wie vor in der evangelischen Internatsschule mit dem schönsten Klassenzimmer Deutschlands über dem Brunnenhaus. Von dort schweift der Blick über Kirche, Klausur und Kreuzganggarten. Am Gesindehaus gibt es ein Eis auf die Hand, im Restaurant Klosterkatz nebenan stehen Bruder Jacobs Maultaschen auf der Karte. Und im Tiefen See, einem der kleinen, stillen Klosterteiche, kann man im Sommer eintauchen in diese Vergangenheit. Er ist heute ein Naturfreibad.
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