17.04.2023
Genießerland kurios
Die ungewöhnlichsten kulinarischen Erfindungen aus Deutschlands Süden
STUTTGART – Wer hat’s erfunden? Baden-Württemberg ist das Land der kreativen Köpfe, Tüftlerinnen und Entwickler. Die bekanntesten Erfindungen sind vermutlich das Fahrrad und das Automobil. Doch das Erfinderland kann nicht nur Technik. Auch viele kulinarische Innovationen stammen aus dem Süden, wie die folgenden Produkte beweisen. Das bekannte braune Kräuterbonbon fehlt allerdings in der Auflistung. Diese Idee stammt bekanntlich von unseren Schweizer Nachbarn.
Eiskalte italienische Cuisine: Spaghetti-Eis
Es sieht aus wie Nudeln mit Tomatensoße und geriebenem Parmesan, ist aber süß und kalt. Das Spaghetti-Eis ist ein Verkaufsschlager in jeder deutschen Eisdiele. Doch die Süßspeise stammt wider Erwarten nicht wie ihr deftiges Vorbild aus Italien, sondern aus Mannheim. Allerdings war es mit Dario Fontanella doch ein Italiener, der 1969 im väterlichen Eiscafé auf die Idee kam, mit einer Spätzlepresse Eiscreme-Nudeln herzustellen. Zunächst geplant als Hommage an die italienische Flagge mit den Sorten Pistazie, Zitrone und Erdbeere, entstand nach längerem Probieren die Idee zum Spaghetti-Eis aus Vanilleeis, Erdbeerpüree und weißer Schokolade.
Fischfreier Fisch: Schwäbischer Thun
Faserig, mürbe und schmackhaft wie Thunfisch, aber garantiert fischfrei – der Schwäbische Thun sorgt für Staunen. Auch die Erfinder Thomas und Christian Pfeffer aus Heilbronn waren erstaunt, als sie eine alte Konservierungsmethode ausprobierten. In Weißwein gekocht und mit Sonnenblumenöl und Lorbeer konserviert, schmeckt das Fleisch vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein tatsächlich wie Thunfisch. Daher ist die offizielle Verwendungsempfehlung auch ganz simpel: „Tun als wäre es Thun“ – den Schwabenthun also wie das Original aus dem Meer einfach mit Olivenöl beträufeln, auf Salat anrichten und guten Appetit!
Käpsele statt Kaviar: Weinperlen
Mit seiner findigen Idee, Wein in Form kleiner Kügelchen in die Dose zu packen und ihm damit die Anmutung von Kaviar zu verleihen, hat Daniel Kuhnle vom gleichnamigen Weingut aus dem Remstal einen kulinarischen Volltreffer gelandet. Er bekam dafür 2019 nicht nur den Start-Up-Preis des Landes Baden-Württemberg, die Innovation findet auch reißenden Absatz im In- und Ausland. Inzwischen gibt es einige Nachahmer, denn die kleinen Perlen sind aus natürlichem Algenextrakt hergestellt und können in Küche und Bar vielseitig verwendet werden. Gekühlt aus der Dose gelöffelt, in Cocktails, auf Eis und in warmen Soßen sorgen sie für das gewisse Etwas beim Genusserlebnis.
Prickelndes Pulver: Frigeo-Ahoj-Brause
Was ist bunt, fruchtig und bitzelt herrlich auf der Zunge? Die Antwort kennt seit den 1930er Jahren jedes Kind. Damals beschloss Deutschlands erster und einziger Hersteller für Brausepulver, Frigeo aus Stuttgart Bad-Cannstatt, seine wasserlöslichen Trinktabletten künftig in Pulverform zu vertreiben – nur echt mit dem blauen Ahoj-Matrosen. Damit war ein Kultprodukt Made in Baden-Württemberg geboren, das bald viele Münder und so manchen Bauchnabel der Nation füllte. Letzteres angeregt durch Günter Grass, der die Brause in seinem 1959 erschienenen Roman "Die Blechtrommel" ins Zentrum einer bizarren, aber prickelnden erotischen Szene stellt. Auch sie brachte es zum Kultstatus, spätestens mit Volker Schlöndorffs oscarprämierter Verfilmung.
Süßes im Quadrat: Ritter Sport
Quadratisch, praktisch, gut: Mit diesen Eigenschaften eroberte Ritter Sport die Welt. Täglich verlassen mehrere Millionen bunt verpackter Tafeln das Werk, um in über 100 Länder exportiert zu werden – und das alles im beschaulichen Waldenbuch, 20 Kilometer von Stuttgart entfernt. 1932 hatte Clara Ritter die Idee, in ihrer Fabrik 100 Gramm Schokolade in quadratischen und dafür dickeren Tafeln statt der klassischen Langtafel zu produzieren. Aus dem einfachen Grund, damit sie nicht in der Sportjackettasche auf dem Weg zum Fußballplatz zerbrechen. Später kamen von Sohn Alfred Otto Ritter noch die damals revolutionären Ideen zur bunten Sortenpalette und Knick-Pack-Hülle dazu und die Waldenbucher Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf.
Schwäbische Leibspeise aus der Flasche: Spätzle-Shaker
Schaben oder Pressen: Nur mit viel Aufwand bekommt man die original schwäbischen Spätzle auf den Tisch. Gibt es da wirklich keine einfachere Lösung? Das fragte sich auch die Tübingerin Susann Hartung, als ihr Sohn Julien mal wieder nach seiner Lieblingsspeise verlangte. Kurzerhand kaufte sie eine Plastikdose, bohrte Löcher in den Deckel, füllte die Teigzutaten und Murmeln zur besseren Vermischung hinein und drückte ihre ersten Spätzle aus – der Spätzle-Shaker war geboren. Vor allem die junge Zielgruppe dankt es Susann Hartung, dass sie jetzt neben schaben und pressen auch ganz einfach, praktisch und sauber ihre Spätzle aus dem Shaker drücken kann.
Himmlisches Soulfood: Schwäbische Seelen
Um die Entstehung von Maultasche, Brezel und Schwarzwälder Kirschtorte ranken sich viele Legenden. Dass die „Seele“ ihren Ursprung in Oberschwaben und dem württembergischen Allgäu hat, ist dagegen unstrittig. Schon seit Jahrhunderten stellen die Bäcker der Region das an kleine Baguettes erinnernde Brauchtumsgebäck aus Mehl, Hefe, Wasser, Salz, Kümmel und früher auch Schmalz her. Dabei geben sie dem Teig viel Zeit zum Gehen, bevor er mit dem „Seelenschießer“, einem langen Holzschieber mit einer Rinne in der Mitte, in den Ofen kommt. Seinen Namen hat das Kleinbrot vom katholischen Feiertag Allerseelen, an dem traditionell für die Seelen der Verstorbenen gebetet wird. Probieren kann man es heute etwa noch in Wangen beim Fidelisbäck.
Druckausgleich für edle Tropfen: Buhlbacher Schlegel
Georg Christian von Kessler gilt als Pionier der nationalen Schaumweinproduktion. Bis heute wird in Deutschlands ältester Sektkellerei Kessler in Esslingen nach der „méthode traditionnelle“ gearbeitet, die ihr Gründer vor bald 200 Jahren aus Frankreich mitbrachte: Ein Flaschengärverfahren, bei dem die Weine von Hand gerüttelt werden. Da Glas im 19. Jahrhundert noch schwächer und der Druck in den Flaschen extrem hoch war, kam es hierbei regelmäßig zu Explosionen, vor denen sich die Kellermeister mit eisernen Masken schützten. Über die Hälfte der Produktion ging so verloren. Zusammen mit der Glashütte Buhlbach im Schwarzwald machte sich Kessler daher an die Entwicklung einer stabileren Flasche. Mit Erfolg: Schon bald war der bruchsichere „Buhlbacher Schlegel“ erfunden, den man bis heute an seinem Stülpboden erkennt.
glashuette-buhlbach-foerderverein.de
Obst und Gemüse auf Vorrat: Weck-Gläser
Während sich die Einmachgläser früher nur in Omas Kellerregalen türmten, liegt das Einwecken mittlerweile wieder voll im Trend. Vor allem im Herbst werden die Gläser mit der Erdbeere und dem Weck-Schriftzug aus den Schränken geholt, um die frische Ernte das ganze Jahr genießen zu können. Und woher stammt die Idee? Natürlich aus dem obstreichen Baden-Württemberg, wo 1892 Johann Carl Weck in Öflingen bei Waldshut im Südschwarzwald die Methode entwickelte, Lebensmittel durch ein Vakuum in Gläsern langfristig zu konservieren. Dass dank des einfachen Einweckprinzips jedermann nun auch im Winter Spargel und andere saisonale Produkte zubereiten konnte, war damals eine kleine Revolution.
Pressekontakt
Sannah Mattes
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