Zum Kuckuck im Schwarzwald
Rund um die Uhr
BW Story - Bernd Sautter
Eine Zeitreise durch die Geschichte der Uhr im Schwarzwald
Zum Kuckuck mit dem Kuckuck. Der Vogel ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist die Kuckucksuhr ein absolutes Kulturgut. Auf diese Idee muss man erstmal kommen: zu jeder vollen Stunde einen schrägen Vogel aus dem Häuschen zu schicken. Aber genau darum ist die Uhr so berühmt. Als Schwarzwälder Wahrzeichen ein echtes Erfolgsmodell. Einerseits… Andererseits…
Irgendwie ist es auch schade, dass der Vogel die Sicht verstellt. Die Uhrmacherkunst im Schwarzwald hat so viel mehr Wunderwerke hervorgebracht. Zum Teil wahre Designklassiker. Zeitlose Ikonen könnte man sagen. Und trotzdem denken die meisten Menschen nur an einen Kuckuck, wenn sie von Schwarzwälder Uhrmacherkunst hören. Höchste Zeit, die anderen Zeitmaschinen zu besuchen. Bevor wir allerdings ins Schwärmen geraten, noch eins vorweg: Wir sind keine geboren Uhren-Freaks. Laut Statistik bezeichnen sich rund zehn Prozent der Deutschen als Uhrensammlerinnen und -sammler. Gar nicht wenige. Wir gehören nicht dazu. Wir sind nur neugierig – und werden dafür belohnt, soviel schon mal vorweg.
Den Anfang machen wir mittendrin in dieser uhrigen Geschichte, an der Schwelle zum industriellen Zeitalter. Das Uhrenindustriemuseum (UIM) in Schwenningen wurde im Gebäude der Württembergischen Uhrenfabrik Bürk eingerichtet. Bürk war berühmt für seine Wecker, aber nur einer von vielen Herstellern in der einst größten Uhrenstadt der Welt. Los geht’s an der Stechuhr, wie sollte es anders sein. Die hat der Bürk erfunden, in Form einer Nachtwächterkontrolluhr. Wir stempeln unser Ticket. So läuft es UIM: Es geht um Uhren und die Bedingungen, unter denen man Uhren herstellte. In der Schwarzwälder Uhrenbranche arbeiteten einst rund 32.000 Menschen. Man setzte vor allem auf sogenannten Großuhren – mit einer Bandbreite von Turmuhren über Standuhren bis Wecker. Das Museum zeigt wie Wecker gefertigt werden. Wer Einzelstücke mitnehmen möchte: gerne.
Auf unserer zweiten Station, in Schramberg, erscheinen wir also mit einem Wecker im Gepäck. Man sagt dazu: „Eulen nach Athen tragen“, aber das stört nicht wirklich. In der Kleinstadtperle Schramberg kommen alle auf ihre Kosten. Das große Museum steht unter dem Motto Erfinderzeiten. Neben historischen Uhren werden seltene Autos und historische Eisenbahnen gezeigt. Wir haben uns das Junghans Museum herausgepickt. Aber warum heißt es „Terrassenbau“? Geht es um Architektur oder haben die Arbeiterinnen und Arbeiter gerne in der Sonne gelegen? Sicher nicht. Das Stammhaus der großen Uhrenmarke liegt zwar an einem wundervollen Sonnenhang. Doch beim legendären Terrassenbau, der vor mehr als einem Jahrhundert entstanden ist, handelt es sich um eine Fertigunghalle – und zwar eine raffinierte, ziemlich fortschrittliche. Mit neun Stockwerken!
Ein wegweisendes Gebäude. Fast alle Arbeitsplätze liegen in der Sonne. Um feinste Uhren herzustellen, steht die Sonne an jedem Werktisch ideal. In diesem Meilenstein der Industriearchitektur wurde das Junghans Museum untergebracht. Doch vor lauter Uhren wollen wir die innere Uhr nicht vergessen, und die steht eindeutig auf Appetit. Wie gut, dass es auf der anderen Seite des Parks die Villa Junghans gibt. Wir wählen einen Wildkräutersalat auf raffiniertem Rote-Beete-Carpaccio und beschließen den Tag mit Mezzalune, also halbmondartig gefüllten Teigtaschen.
Am nächsten Tag geht’s weiter mit unserer Reise entlang der Deutschen Uhrenstraße. Wir sind für eine Führung angemeldet. Im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen lohnt sich das – angesichts von 8.000 Uhren der gesamten Sammlung von denen 1.300 Stücke dauerhaft ausgestellt sind. Und was lernen wir? Die erfolgreichste Uhr des Schwarzwald war überhaupt keine Kuckucksuhr. Flache Wanduhren, sogenannte Lackschilduhren, waren weitaus begehrter. Kuckucksuhren machen nur rund vier Prozent der Uhrenproduktion aus.
Apropos, die Idee mit dem Kuckuck muss man einfach sympathisch finden. Sie ist ja noch skurriler als gedacht: Um 1850 soll es ein Furtwangen einen Designwettbewerb gegeben haben. Gewonnen hat ein Architekt. Er schrumpfte ein Bahnwärterhaus, verzierte es mit Efeu, versah es mit einem Zifferblatt und setzte den Vogel in den Dachboden. Kaum zu fassen: Der klassischer Uhrenkuckuck hat also gar kein Nest. Er wohnt in einem Bahnwärterhäuschen!
Zum Anschluss unserer Tour um die Uhr besuchen wir die Werkstatt von Christophe Herr in Schonach. Damit erreichen wir sozusagen den Uhrsprung der Schwarzwälder Tradition. Wir sehen dem Kuckuck direkt in die Augen. Christophe stellt die Uhren genau so her, wie man es früher tat. Damals als von Industrialisierung noch keine Rede sein konnte. Also aus Holz und komplett von Hand.
Christoph ist gelernter Holzbildhauer. Wenn man bei ihm in der Manufaktur steht, bekommt die Kuckucksuhr plötzlich etwas selbstverständliches. So gesehen kann Tradition ganz cool sein. Laut Christophe wurde der Kuckuck 1737 von Anton Ketterer zum ersten Mal im Schwarzwald in eine Uhr gesetzt, das war in Schönwald, einem Dorf nur wenige Kilometer von Schonach entfernt. Doch stimmt das wirklich? Es gibt viele Theorien wie der schräge Vogel in die Uhr kam. Wir finden: Ein Mythos sollte jede seiner Legenden behalten. Warum der Vogel gerade in der Uhr heimisch wurde? Zum Kuckuck, lassen wir ihn einfach. Hauptsache, die Uhr sieht toll aus. Und daran kann es unter echten Kennern keinen Zweifel geben.
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