Von Rom bis Germanien
Römischer Limes in BaWu
© Verein Deutsche Limes-Straße, Michael Schneidt
BW Story - List & Steidel
Geheimnisse des größten Baudenkmals Mitteleuropas
Der römische Limes ist das größte Baudenkmal Mitteleuropas. 165 seiner 550 Kilometer gingen durch das heutige Baden-Württemberg. Ein Spaziergang auf der Ostalb von Wachturm zu Triumphtor, begleitet von einem Limes-Cicerone, der die Geschichte lebendig werden lässt.
Markus Schmid ist eigentlich Bäckermeister. Doch in seiner Freizeit taucht er gerne in die Geschichte ein. Das römische Weltreich hat es ihm angetan, zumal es bei ihm ja quasi vor der Haustür liegt. Der legendäre Limes führte einst auch bei ihm ganz in der Nähe von Aalen vorbei. Vor zwei Jahren machte er deshalb die Ausbildung zum Limes Cicerone: Das sind Guides, die von der Deutschen Limeskommission und dem Archäologischen Landesmuseum geschult werden. Seither führt er Menschen an jenem alten Grenzwall entlang, der einst die Außengrenze des römischen Weltreichs darstellte.
Der Weg beginnt an einem unscheinbaren Parkplatz zwischen Rainau-Buch und Schwabsberg. Hier mittendurch verlief einst der Limes. Aber wo? „Kommen Sie mit“, sagt Markus Schmid. Er führt seine Gäste in ein dunkles Waldstück hinein, in dessen Mitte plötzlich eine große Mauer steht. Einen Meter dick ist sie und drei Meter hoch: der Limes, ausgebaut als Steinwall vor knapp 1900 Jahren, als Rom begann, seine Grenze zu befestigen.
Der Limes galt als Teufelsmauer
Das Teilstück ist ein Nachbau, an der ursprünglichen Stelle und weitgehend nach wissenschaftlichen Kriterien errichtet. Ohne Nachbauten kommt der Limes nicht aus, wenn man von ihm heute noch etwas zeigen will. Spätestens im 19. Jahrhundert wurden viele der damals noch stattlichen Mauern abgetragen oder eingeebnet. Vor seinen Überresten fürchteten sich die Menschen in der Vergangenheit und sprachen sogar von einer Teufelsmauer.
Gut, wenn einer dabei ist, der das alles genau weiß, der den Unterschied kennt zwischen dem, was rekonstruiert wurde und tatsächlich noch ganz original vorhanden ist. Auch der große Wachturm im Mahdholz ist eine Rekonstruktion. Majestätisch erhebt er sich am Waldrand, ein Steinmonument mit einer hölzernen Spitze.
Ein Wachturm wie in alten Zeiten
Markus Schmid schwärmt regelrecht von ihm. „Der schönste Turmnachbau in Rätien“, sagt er. Rätien hieß einst die römische Provinz, die von Lorch bis Regensburg reichte. Nördlich davon lag Obergermanien. Durch beide führte der Limes, 2005 wurde der Obergermanisch-Rätische Limes in die Liste des UNESCO-Welterbestätten aufgenommen.
Der Wachturm im Mahdholz ist so, wie man sich einen Limesturm wohl wirklich vorstellen muss. Nur die Tür im Erdgeschoss ist den modernen Zeiten geschuldet. „Ursprünglich ging es über eine Leiter im ersten Stock hinein“, weiß Cicerone Schmid. Er hat auch den Schlüssel, bringt seine Gruppe nach oben, wo einst vier Legionäre stationiert waren: Zwei schliefen, zwei hielten Wache.
Die Aussichten sind herrlich. Der Blick geht über die weite Ostalb, an ihrem Trauf entlang, über die Felder und Wälder. Für die Römer freilich war das kein Sightseeing, sondern ein Überwachungsvorgang: Von hier aus hatten sie die Grenze im Blick sowie in 200 Meter Entfernung den nächsten Wachturm, mit dem sie über Licht- und Rauchzeichen kommunizierten.
Bärenfelle und Damenhaar
Das wilde Germanien! Markus Schmid lädt nun zu einem kleinen Spaziergang auf dem Limeswanderweg ein. Es ging hier nicht immer so friedlich zu wie heute, aber keineswegs auch so permanent kriegerisch, wie sich das manche vorstellen. „Der Limes war eigentlich keine Verteidigungsmauer, eher eine physische Barriere, die den Grenzverlauf markierte“, weiß der Guide.
So standen die Tore zumeist offen, wurde munter Handel getrieben. Bärenfelle und blondes Frauenhaar gegen Bronze- und Silbermünzen. Das römische Geld war Gold wert, überall im Weltreich konnte man damit bezahlen, eine Art Dollar der Antike, der sämtliche einheimische Tauschwährungen in den Schatten stellte.
Der Wanderweg geht entlang von Feldern und Flüssen. Immer mal wieder hat man ihn hier auf der Ostalb mit Zenturio-Köpfen markiert. Die Gemeinde Rainau hat einen großen Limes-Park ausgewiesen sowie eine elf Kilometer lange Rundtour, die die wichtigsten Bauwerke am Limes erschließt.
Das Filetstück der Strecke ist das Limestor in Dalkingen. Es liegt rund drei Kilometer vom Wachturm im Mahdholz entfernt. Dabei durchquert man einmal das Tal der Jagst mit dem schönen Dorf Schwabsberg im Hintergrund. Die Römer hatten ihre Grenze mitten in die Landschaft hineingebaut, natürliche Verläufe gab es nur an Rhein und Donau.
Caracallas Triumphtor auf der Alb
Der Anblick des schrägen Plastik-Kubus verwirrt. Eine Kunstinstallation auf dem Land? Ein Open-Air-Atelier eines ambitionierten Architekten? Tatsächlich ist das lichtdurchflutete Modern-Art-Bauwerk nur die Schutzhülle des Triumphtors von Dalkingen.
Das Dalkinger Limestor ist etwas ganz und gar Einzigartiges. Ursprünglich war es nur einer von vielen Übergängen am Limes, ein schmuckloser Holzbau wie andere auch. Doch dann kam Kaiser Caracalla hierher und besiegte 213 nach Christus die widerspenstigen Germanen. Zur Erinnerung ließ er sich ein Denkmal und einen Triumphbogen bauen, ein Prachttor, das es so kein zweites Mal am Limes gab.
Markus Schmid trifft hier seine Cicerone-Kollegin Sonja Heinen. Sie trägt ein römisches Gewand, tut hier in Dalkingen Dienst, weil das Limestor heute ein Museum ist. 1973 wurden seine Überreste freigelegt und 2010 eben jene Schutzhülle errichtet, unter der man das Tor mit Stoffbahnen in seinen Originaldimensionen nachgebildet hat.
Latrinengang als geselliges Erlebnis
Sonja Heinen lädt nun zu einem sinnlichen Ausflug in die Welt der Römer ein. Sie haben so vieles hierhergebracht, was wir bis heute ganz selbstverständlich genießen. Äpfel zum Beispiel, Petersilie oder Kümmel. Ihre Düfte waren betörend, die Gäste dürfen nun an Lavendel und Rosenwasser riechen und sich dabei vorstellen, wie Wellness vor fast 2000 Jahren funktionierte.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig sind nur die Latrinengepflogenheiten: Dort saß man in geselliger Runde zusammen und machte sein Geschäft. Den Rest erledigte ein in Essig getränkter Schwamm am Hinterteil, danach ging’s in die Therme.
Zwischen 250 und 300 nach Christus war es auch damit vorbei. Germanen und Alemannen überrannten den Limes, und das römische Weltreich begann sich zurückzuziehen, bis es schließlich ganz unterging. Ein spannender Krimi aus der Antike, mit einem Limes-Cicerone als Erzähler, der uns mit zu einer kleinen, feinen Zeitreise auf die Ostalb nahm.
Übersicht
Mehr über das größte Baudenkmal Mitteleuropas
Die Limes-Cicerones führen regelmäßig am Limes in Baden-Württemberg entlang: www.limes-cicerones.de. Der Limes-Wanderweg begleitet auf etwa 700 Kilometern den alten Grenzwall, in Baden-Württemberg ist er zum Teil identisch mit dem HW6-Fernwanderweg des Schwäbischen Albvereins. Den Wachturm im Mahdholz und das Dalkinger Tor auf der Ostalb verbindet auch die elf Kilometer lange Rainauer Limesrundwanderung. Weitere Informationen unter aalen.de, limesstrasse.de, limestor-dalkingen.de, rainau.de.
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