Hopfenanbau am Bodensee
Zu Besuch auf dem Hopfengut No 20
© Hopfengut No20
BW Story - Claudia List
Eine Reise in die Welt des Hopfens
Die Region nördlich des Bodensees bietet beste Bedingungen für den Hopfenanbau. Einer der vielen Betriebe, die in Tettnang am Werk sind, ist das „Hopfengut No. 20“: Mit eigenem Museum, Brauerei, Gasthof und Führungen bietet es eine interessante und sinnenfreudige Reise durch die Welt des Hopfens an.
Die Bretter auf der Besuchergalerie vibrieren. Mit lautem Getöse setzt sich unten in der Halle die große Pflückmaschine in Gang. Die Hopfenranken werden eingehakt und eine nach der anderen über ein Gestänge nach oben gezogen. Dann wandern die grünen Girlanden hinein in die rotierenden Walzen, die mit Stahlfingern die Dolden pflücken. Ketten drehen sich, dicke Rohre schlingen sich um die Maschine, an deren Ende die hellgrün leuchtenden Dolden auf einem Förderband herauskommen.
Hopfenbauer in vierter Generation
Während der Erntezeit läuft die Maschine auf Hochtouren – und manchmal bis spät in die Nacht. „Die Dolden müssen schnell gepflückt und getrocknet werden, sonst färben sie sich braun und sind unbrauchbar“, sagt Stefan Arnegger. Er führt regelmäßig auf dem „Hopfengut No. 20“ Gäste übers Gelände. Die erfahren von ihm viel Wissenswertes über die Pflanze und ihren Anbau. Und das auf so unterhaltsame Weise, dass ihm nicht nur Bierfans gerne zuhören.
Die Führungen sind beliebt und kaum ist die eine zu Ende, wartet schon die nächste Gruppe. Man könnte glauben, das Hopfengut sei ein reiner Schaubetrieb mit Museum, einem Hopfensteg in luftiger Höhe, Brauseminaren und anderen Veranstaltungen. Doch weit gefehlt. „Wir sind in erster Linie Hopfenbauern – und das in der vierten Generation“, sagt Charlotte Müller, die das „Hopfengut No. 20" gemeinsam mit ihrem Bruder Lukas Locher führt.
Fruchtbare Böden und mildes Klima
Rund 40 Hektar bewirtschaften sie in verschiedenen Lagen. Direkt an ihrem Haus beginnen die ersten Hopfenfelder, über die sich ein dichtes Netz aus Drähten spannt. Stefan Arnegger, der selbst Hopfenbauer ist, startet dort seine Tour und erzählt von der Pflanze: Dass ihr Wurzelstock 60 Jahre alt werden kann. Dass jede im Frühjahr ihren eigenen, über acht Meter langen Draht als Rankhilfe bekommt – pro Hektar sind das 3500 bis 4000 Drähte. Und dass jeder Draht oben von Hand angebunden werden muss. Dazu rollen die Leute auf einer Hebebühne über den Acker. „Schwindelfrei und seefest müssen die sein“, sagt Arnegger und lacht, „da schwankt der Boden am Abend weiter, aber nach ein, zwei Bier geht’s wieder!“
Man kann dem Hopfen beim Wachsen zusehen: Er schafft bis zu 30 Zentimeter am Tag – schneller ist nur noch Bambus. Wenige Tage nach der Sommersonnenwende hört das Wachstum auf und er beginnt zu blühen. Die Ernte beginnt in Tettnang dann auch immer um den 25. August herum. Die Fachleute müssen den richtigen Zeitpunkt abpassen, denn ernten sie zu früh, haben die Dolden noch kein Aroma. Sind sie zu spät dran, wird das Aroma zwiebelig. „Und das will kein Brauer in seinem Bier!“, sagt der Guide.
Intensiver Duft der Dolden
Zur Erntezeit geht’s rund in der Region, in der über 120 Hopfenbetriebe zusammen 1500 Hektar Land beackern. Die Voraussetzungen sind ideal: „Hopfen wächst zwar überall“, räumt Arnegger ein, „aber nicht mit dem Ertrag und dem besonderen Aroma wie bei uns.“ Die Wurzeln der Pflanze sind zwei bis vier Meter lang. Sie brauchen tiefe, fruchtbare Böden, wie es sie um Tettnang herum gibt – und ein mildes Klima mit viel Regen in den Sommermonaten. Vorwiegend werden alte Tettnanger Landsorten angebaut, ein Drittel machen die neuen Aromasorten aus. „Über 80 Prozent unseres Hopfens wird in alle Welt exportiert“, erzählt Arnegger stolz über das Spitzenprodukt.
Von der Pflückmaschine wandern die grünen Dolden direkt für drei bis vier Stunden zum Trocknen in die Darre. Stefan Arnegger steigt mit seiner Gruppe über eine Holztreppe ein Stockwerk höher, wo sie warme Luft und ein intensiver süßer Duft empfängt. Die trockenen Dolden, die dort liegen, fühlen sich federleicht und wie Papier an, das in der Hand raschelt und leicht zerbröselt. Ein klebriges Gefühl bleibt zurück: Das kommt vom Lupulin, das die Bitter- und Aromastoffe enthält, die man zum Brauen braucht.
Ernte endet mit der Hopfensau
Wie das funktioniert, kann man ebenfalls im Hopfengut sehen: Am Eingang zum Museum, das mit hübschen Exponaten von der Geschichte des Hopfenanbaus erzählt, steht eine kleine Brauanlage. Regelmäßig stellt Braumeister Fritz Tauscher dort seine Spezialitäten her, wie das „Lager“, das mit einer alten Tettnanger Landsorte sowie den Sorten Blanc und Melon gehopft ist. Man kann sie vor Ort probieren oder im Gasthaus bestellen, das nur ein Stockwerk tiefer liegt.
Vor dem Hopfengut fährt schon wieder ein Traktor vorbei, auf dessen Anhänger sich die frisch geernteten Ranken türmen. Bald sind alle Felder kahl. Als noch von Hand geerntet wurde, gab es einen Brauch: Die Helferin, die die allerletzte Ranke geschnitten hat, wurde zur Hopfensau gekürt. Heute ernten Maschinen, doch im Hopfengut gibt es immer noch eine Hopfensau. Das ist allerdings kein Mensch, sondern ein Bier, das aus den Dolden der letzten Ranken gebraut wird.
Übersicht
Mehr zur Tour
Die Region nördlich des Bodensees rund um Tettnang gehört zu den fünf Hopfenanbaugebieten in Deutschland und liegt am südlichsten. Ein Hopfenpfad führt rund um Tettnang auf die Spuren des „grünen Golds“. Er führt auch am Hopfengut No. 20 vorbei. Dort können Gäste an Führungen, Braukursen und vielen weiteren Veranstaltungen teilnehmen, einkehren und das Museum besuchen.
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