Das sanfte Vogelparadies
Federsee in Oberschwaben
© TMBW, Denger
BW Story - Bernd Sautter
Vogelbeobachtung in einem
mystischen Naturparadies
Hinter dem Schilf, wo heute der See liegt, war früher eine große Stadt. Also früher… und dann nochmals ein Zeitalter zuvor. In dieser großartigen Stadt lebten viele Menschen. Sie waren reich. Sie lebten gut. Vielleicht ging es ihnen viel zu gut. Denn sie waren maßlos und gottlos – also ging die Stadt unter. An ihrer Stelle klafft heute ein riesiges schwarzbraunes Loch, das randvoll gelaufen ist mit Moor und anderem Schmodder.
So oder so ähnlich lauten zahlreiche Mythen und Legenden, die sich um den Federsee ranken – diesen wundervollen und geheimnisvollem Ort, der sich mitten im größten zusammenhängenden Moorgebiet Baden-Württembergs befindet.
Vielleicht muss man die Menschen verstehen, die sich diese Märchen erzählten. Sie standen damals vor einer undurchdringlichen Schilf- und Feuchtwiese. Sie konnten weder hineingehen noch nachschauen, wie es dort wirklich aussieht. Sie wären in den Tiefen des Moores versunken. Also malten sie sich aus, was wohl hinter dem Schilfvorhang sein könnte. Wie schön, wie reich und wie fantastisch die Natur dort ist, das konnten sie sich freilich nicht vorstellen. Heute kann man es besichtigen. Live und in Farbe, mit allen Sinnen, in völliger Ruhe und Gelassenheit und an manchen Stellen sogar auf bequemen Stegen.
Über das schwarze Moorwasser führt der Federseesteg. Mehr als hundert Jahre hat er schon auf den Brettern. 1500 Meter ist er lang. Er steht auf 1091 Eichenpfählen, jeder zwischen sieben und vierzehn Meter tief. Der Steg wurde gebaut, um Besucher ins Innere des zauberhaften Biotops zu führen, ohne die einmalige Tier- und Pflanzenwelt zu stören. So kann man den See und die Natur selbständig erkunden – oder man schließt sich einer Führerin oder einem Führer an. Diese Expertinnen und Experten kennen nicht nur die frei erfundenen, sondern vor allem auch die wahren Geschichten über den See und seine Bewohner. Sie berichten über die wechselvolle Vergangenheit des Gebietes und zeigen die beeindruckende Gegenwart.
Besonders faszinierend ist das, was sich in der Sekunde ereignet. Wenn man sich die Zeit nimmt, um genau hinzuschauen, wird man reichhaltig belohnt. Es bewegt sich überall. Es wackelt. Es fliegt. Es zwitschert. Es spottet. Es jagt. Es quietscht. Es pfeift. Es flirrt. Es singt. Es flieht. Es balzt. Es tummeln sich Tausende von Arten: die Vögel in allen Farben, die Insekten in allen Formen und die Reptilien in allen Elementen, also in Wasser, im Moor und am Boden. Man muss kein Vogelkundler sein, um vom Federsee zu schwärmen. Unser Guide berichtet, dass im Spätherbst bis zu 3.000 Schwimmvögel auf dem See rasten. Man würde das Wasser vor lauter Federn kaum noch erkennen. Vielleicht stammt daher der Name des Sees. Federsee. Aber nur vielleicht, schließlich könnte diese Erklärung eine Legende sein.
In der Natur sind die Frühaufsteher im Vorteil. Wer sich dem Rhythmus der Vögel anpasst, bekommt am Morgen ein wunderbares Naturschauspiel geboten. Danach empfiehlt sich ein Besuch im Zentrum des Naturschutzbunds, von dort starten auch die Führungen durch Moor und See. Auf keinen Fall sollte man das Federsee-Museum auslassen, in dem man tief in die wahre Geschichte des Sees eintaucht. Im modernen Holz-Kubus, der auf Pfählen gebaut ist, sind Pfahlbaudörfer konserviert. Dörfer wohlgemerkt, keine Städte. Diese gibt’s nur in der Legende. In Wirklichkeit gilt der Gürtel um den Federsee herum als fundreichstes Moor Mitteleuropas. Die vier Ausgrabungsstätten Alleshausen-Grundwiesen, Ödenahlen, Olzreute-Enzisholz und die Siedlung Forschner am Federsee gehören längst zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das feuchte Moor hat stille Zeugen der Vergangenheit erhalten. Bei so viel Abwechslung sollte man sich Zeit nehmen. Er verträgt viel, aber bitte keine Unruhe. Bad Buchau und die umliegenden Dörfer bieten eine üppige Auswahl an traumhaften Hotels und Pensionen.
Viele Besucher gehen jeden Tag einmal raus zum Federseesteg und dem großen Aussichtsturm mitten im Schilf. Die Natur zeigt täglich eine andere Seite. Jeder Tag bringt neue Facetten. Und wer weiß… wer lange genug Ausschau hält, entdeckt vielleicht sogar das sagenumwobene „Nebelmännle“. Man hat schon viel von ihm gelesen, vom Nebelmännle, an manchen mythischen Orten in Oberschwaben. Doch gesprochen hat noch keiner mit dem kleinen Mann im undurchsichtigen Dunst. Inzwischen kursiert sogar das Gerücht, er könnte mit der großen Stadt untergegangen sein, die einst dort stand, wo der Federsee heute liegt.
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