Klang der Eiszeit

Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb

Gabriele Dalferth bringt mit Eiszeitflöten den ganzen Hohle Fels zum Klingen.
Sensation: 40.000 Jahre Sinn für Musik

BW Story - List & Steidel

Sensation: 40.000 Jahre Sinn für Musik

In den Höhlen im Ach- und Lonetal der Alb sind Grabungsteams auf sensationelle Funde gestoßen: Rund 40.000 Jahre alte Figuren, wie die „Venus vom Hohle Fels“, aber auch Bruchstücke von Flöten aus Knochen und Elfenbein. Sie zeigen, dass die eiszeitlichen Jäger schon Sinn für Musik hatten.

Ein heller, zarter Ton durchdringt den Raum bis in ihren letzten Winkel. Andächtig lauschen die Besucherinnen und Besucher der Melodie, die der eindrucksvollen Höhle nochmal einen ganz besonderen Zauber verleiht. Dabei traut man dem zierlichen Instrument, auf dem Gabriele Dalferth spielt, eine solche Lautstärke gar nicht zu: Ihre Flöte ist gerade mal um die 20 Zentimeter lang und hat einen sehr kleinen Durchmesser – und ist ein Nachbau aus der Steinzeit, als die Menschen solche Instrumente aus Knochen und Mammutelfenbein geschnitzt haben. Erstaunlich, dass die Musikerin damit den ganzen Hohle Fels, wie die Höhle bei Schelklingen heißt, zum Klingen bringt.

Gabriele Dalferth verzaubert Besuchende mit ihrem Spiel auf der Eiszeitflöte und „Klängen aus der Urgeschichte“.
Gabriele Dalferth verzaubert Besuchende mit ihrem Spiel auf der Eiszeitflöte und „Klängen aus der Urgeschichte“. | © Claudia List

Die ehemalige Grundschullehrerin aus Königsbronn hat das Flötenspiel an der Musikschule unterrichtet. Fasziniert von den archäologischen Funden in ihrer Heimat hat sie außerdem eine Ausbildung der Universität Tübingen zum Archäoguide gemacht. Nachdem 2006 ein nur vier Zentimeter großes Mammut aus Elfenbein in der Vogelherdhöhle entdeckt wurde, sollte sie zu seiner feierlichen Präsentation auf der Flöte spielen. Ihr übliches Instrument fand sie nicht passend für diesen Anlass – und sie begann, sich mit dem musikalischen Erbe der Steinzeit zu beschäftigen. Heute sind ihre „Klänge aus der Urgeschichte“ in vielen Museen gefragt. Auch im Hohle Fels im Achtal hat sie schon häufiger gespielt.

Mit Feuersteinklingen den Knochen bearbeitet

Durch einen schmalen Tunnel gelangt man hinein in den Hohle Fels, eine der größten Hallenhöhlen der Schwäbischen Alb. Ihre Grundfläche entspricht etwa zwei Tennisplätzen. Mit ihren 30 Metern Höhe vermittelt sie den Eindruck, in einer spärlich beleuchteten Kathedrale zu stehen. Das künstliche Licht sorgt auf den bucklig-höckerigen Wänden für ein faszinierendes Schattenspiel. Auf der gegenüberliegenden Seite steigt der Boden steil auf. Gabriele Dalferth, gekleidet in Felljacke und -schuhe und mit Lederbändern im Haar, steht oben wie auf einem Balkon und spielt. Noten sind natürlich keine überliefert, da lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf. Wo Informationen gesichert sind, hält sie sich aber daran. Etwa bei ihren Flötenrepliken, die sie alle erst einmal mit den Mitteln der damaligen Zeit nachgebaut hat. „Mit Feuersteinklingen haben die Menschen die Löcher geschabt“, erklärt sie und dreht das Instrument in ihrer Hand. Es ist der Nachbau einer Flöte, auf die ein Ausgrabungsteam 2006 im Hohle Fels gestoßen ist. Ein Instrument mit fünf Fingerlöchern, gefertigt aus Knochen, der Speiche eines Gänsegeiers. 

Die Flöten, auf denen Gabriele Dalferth spielt, hat sie aus Schwanenflügel- und Gänsegeierknochen gefertigt.
Die Flöten, auf denen Gabriele Dalferth spielt, hat sie aus Schwanenflügel- und Gänsegeierknochen gefertigt. | © Claudia List
Gabriele Dalferth bringt mit Eiszeitflöten den ganzen Hohle Fels zum Klingen.
Gabriele Dalferth bringt mit Eiszeitflöten den ganzen Hohle Fels zum Klingen. | © Claudia List
Von außen recht unscheinbar mitten im Grünen gelegen: Der Hohle Fels im Achtal nahe Schelklingen.
Von außen recht unscheinbar mitten im Grünen gelegen: Der Hohle Fels im Achtal nahe Schelklingen. | © Claudia List

Die älteste bekannte Darstellung einer Frau

Vor 40.000 Jahren haben die Menschen, die aus Afrika und über den Nahen Osten entlang der Donau eingewandert sind, in den Höhlen der Schwäbische Alb Schutz gesucht. Und dort Werkzeuge, Schmuck und Instrumente hinterlassen. Einer der Sensationsfunde war eine sechs Zentimeter hohe Figur, die vor rund 40.000 Jahren aus Elfenbein gefertigt wurde: Die „Venus vom Hohle Fels“ gilt als älteste bekannte Darstellung eines Menschen.

„Die Höhle ist ein Schwammriff aus der Jurazeit“, erklärt Otto Schwabe. Der Experte führt regelmäßig Gruppen durch den Hohle Fels und hat dabei Menschen kennengelernt, die regelmäßig kommen, um hier auf der Gitarre zu spielen oder und einfach nur Zeit an einem für sie wichtigen Kraftort zu verbringen. Anschaulich erzählt Schwabe von der Geologie und davon, dass sich im Sediment organisches Material, wie das Elfenbein der „Venus vom Hohle Fels“, gut erhalten habe.

Ein Replikat der „Venus vom Hohle Fels“, die 2008 bei Ausgrabungen entdeckt wurde und im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren ausgestellt wird.
Ein Replikat der „Venus vom Hohle Fels“, die 2008 bei Ausgrabungen entdeckt wurde und im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren ausgestellt wird. | © Claudia List
Von innen beeindruckt der Hohle Fels als eine der größten Hallenhöhlen der Schwäbischen Alb.
Von innen beeindruckt der Hohle Fels als eine der größten Hallenhöhlen der Schwäbischen Alb. | © Claudia List

Ein Mischwesen aus Mensch und Tier

Nicht nur im Hohle Fels, auch andernorts schlummerten Kunstwerke und Musikinstrumente in der Erde. Im Achtal zählen neben dem Hohle Fels auch das Geißenklösterle und der Sirgenstein zu den bedeutendsten archäologischen Stätten. Im nordöstlich von Ulm gelegenen Lonetal sind es die drei Höhlen Vogelherd, Hohlenstein-Stadel und Bockstein. Alle sechs gehören als Fundstellen der Eiszeitkunst seit 2017 zum Weltkulturerbe. Die ältesten bisher bekannten Flöten weltweit wurden hier entdeckt, außerdem Tiere, wie das Elfenbein-Mammut, und mit dem Löwenmenschen ein Mischwesen aus Mensch und Tier. 

Der Hohle Fels steht – außer in den Wintermonaten, wenn sich dort Fledermäuse zurückziehen – Besucherinnen und Besuchern offen. Wer hineingeht, schreitet über einen Steg, unter dem Archäologinnen und Archäologen in der Tiefe graben in der Hoffnung auf weitere Entdeckungen. Ein Notenblatt wird vermutlich nicht auftauchen. Gabriele Dalferth kann also weiterhin ihrer Fantasie freien Lauf lassen – und mit ihr das vom Klang der Höhle faszinierte Publikum.

Mehr zur Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb

Übersicht

Mehr zur Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb

Die Höhle, in der das ganze Jahr über um die acht Grad herrschen, liegt etwa eineinhalb Kilometer von Schelklingen entfernt. Informationen zu den Öffnungszeiten und Führungen sowie zum Stadtmuseum Schelklingen findet man auf der Webseite.

schelklingen.de

Wer sich mit einem zertifizierten Höhlen- oder Welterbe-Guide wie Otto Schwabe auf den Weg in den Hohle Fels machen oder eine geführte Wanderung in Ach- oder Lonetal zu den weiteren Welterbe-Höhlen unternehmen will, findet die entsprechenden Kontakte unter

weltkultursprung.de/erleben/gaestefuehrungen

Die Repliken der bis zu 40.000 Jahre alten Flöten hat Gabriele Dalferth fast alle selbst hergestellt. Zu hören ist die Expertin in Museen und bei ihren Führungen als Archäoguide. Hörbeispiele findet man auch auf ihrer Webseite. Als Musikpädagogin bietet sie Programme an, bei denen einfache Eiszeitinstrumente gebaut werden und sie mit dem Klischee vom keulenschwingenden Steinzeitmenschen aufräumt. Außerdem spielt die Musikerin zusammen mit weiteren Familienmitgliedern in der Folkband Tune.

e.tuneup-folk.de

Auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung ist mehr über die sechs Höhlen im Ach- und Lonetal und ihre Eiszeitkunst zu erfahren, die 2017 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurden. Dort findet man auch Hinweise zu Museen, Führungen sowie Rad- und Wandertouren, die Höhlen und andere Attraktionen miteinander verbinden.

weltkultursprung.de

Fundstücke sind auch in verschiedenen Museen ausgestellt: das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren URMU widmet sich ausschließlich der Altsteinzeit mit vielen Schätzen, wie den eiszeitlichen Flöten oder der „Venus vom Hohle Fels“. Das Ulmer Museum zeigt den Löwenmenschen, das Museum Schloss Hohentübingen unter anderem das Vogelherd-Pferd und das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart den Adoranten und weitere Fundstücke.

 urmu.de | museumulm.de | unimuseum.uni-tuebingen.de | landesmuseum-stuttgart.de

Hohlenstein bei Asselfingen_1

Archäologische Stätte Ulm

UNESCO-Welterbe "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb"

Venus_Hohle_Fels©Urgeschichtliches Museum Blaubeuren

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